Zum Sex ins »Love-Hotel«

von Carsten Germis

»Ich weiß einen Ort, wo wir uns ungestört unterhalten können«, sagt Aiko. »In Shibuya gibt es Hunderte von Love-Hotels....« (S.192)

Aikos Idee, sich mit mir in einem Love-Hotel zu treffen war wirklich gut. Und für mich ein ziemlich aufregendes Erlebnis. Love-Hotels sind eine sehr japanische Einrichtung. Es gibt sie nahezu überall, selbst in kleinen Städten. Doch Stadtteile wie Shunjuku oder Shibuya in Tokio sind Schwerpunkte. Dort blüht auch die Prostitution, die offiziell verboten ist. Doch es wäre falsch, Love-Hotels mit den Absteigen zu vergleichen, die in Deutschland als Stundenhotels bekannt sind. Das Prinzip allerdings ist ähnlich: Man zahlt pro Stunde, 3000 bis 5000 Yen (20 bis 35 Euro), in den besseren Häusern auch schon mal 8000 Yen. Und natürlich schleppen auch in Japan viele Prostituierte ihre Freier in solche Häuser ab. Doch Love-Hotels sind mehr. Die japanische Krimiautorin Natsuo Kirino hat das einmal sehr schön beschrieben. Im Love-Hotel treffen sich sogar Ehepaare zum Sex, Liebespaare, Männer und Frauen mit Affären... Das Love-Hotel ist der Ort, an dem Sex ausgelebt werden darf. Das doppelte Gesicht der japanischen Kultur zeigt sich im Love-Hotel auch beim Sex. Zuhause die Fassade des biederen Familienvaters und der Hausfrau, im Love-Hotel dann als Ort, an dem Leidenschaften gezeigt werden können.

Kirino schildert in einem Vorwort zu einem Bildband über »Love-Hotels«, wie erstaunt viele Japaner waren, dass es sich in Amerika bei den vielen Motels nicht um Liebeshotels handelt. Ursache dieses Missverständnisses: »Sie dachten, dass jedes Land so etwas wie Love-Hotels hat.« Doch in der Form, wie ich sie in Japan erlebt habe, ist es eine besondere, japanische Einrichtung. Hotels nur für Sex, weil Japaner - so Kirino - Sex vom Alltagsleben unterscheiden. »Und wo haben Amerikaner Sex?« Kirino muss wohl selber lachen, wenn sie das Erstaunen vieler ihrer Landsleute über diese Antwort schildert: »In ihren Wohnungen.«

»Japaner lieben Fantasie mehr, als sie Sex lieben«, meint Kirino. Das stimmt. Love-Hotels sind oft phantasievoll eingerichtet. Sie haben wenig mit den billigen Stundenhotels deutscher Rotlichtviertel zu tun. Und sie sind in Japan ein richtiger Wirtschaftsfaktor. Vier Billionen Yen (mehr als 30 Milliarden €) setzen Love-Hotels Jahr für Jahr um, heißt es. Das ist vier mal so viel wie der operative Gewinn des Autokonzerns Toyota. 1,37 Millionen Paare gehen täglich in ein Love-Hotel, mehr als 1 Prozent der Bevölkerung, sagt die Statistik.

Kein Wunder, dass ich Aiko gefolgt bin.

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